Rentenbemessung bei der IV – Wie gerecht ist dieses System, Thomas Gächter?

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In dieser Folge von Breakdown geht es um die Rentenbemessung der IV und deren Fallstricke. Die zentrale Kritik richtet sich gegen die heutige Bemessung, die von einer Lohn-Tabelle ausgeht, die nicht angemessen ist und von einer Praxis, die von einem «ausgeglichenen» Arbeitsmarkt ausgeht und reale Gegebenheiten oft ignoriert. Für Betroffene kann das dazu führen, dass sie trotz attestierter Invalidität keine oder eine sehr tiefe Rente erhalten und keine Möglichkeit haben, das fehlende Einkommen zu erwirtschaften, weil es im realen Arbeitsmarkt keine Stellen für sie gibt.

 Dr. Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht und Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Uni ZH

«Welchen Wert hat diese Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt noch? Die IV-Stellen gehen seit Jahrzehnten davon aus, dass es auf dem Arbeitsmarkt für fast alle Skills noch irgend ein Plätzchen gibt. Dies entspricht aber oft nicht der Realität, und dann stehen die Leute da mit einer tiefen Rente und praktisch null Chancen, ihre «Resterwerbsfähigkeit» noch zu verwerten.»

Dr. Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht und Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Uni ZH


Dr. Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht und Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Uni Zürich, erläutert, wie LSE-/Referenzlohn-Tabellen funktionieren und wo sie scheitern. Zu hohe Referenz-Löhne und fehlende realistische Arbeitsmöglichkeiten führen zu Ungerechtigkeiten. Stossend ist, dass für Einkommen unter 100'000 Franken jährlich – das dürfte die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sein – das Leistungsversprechen der IV kaum noch eingelöst wird. Das fehlende Einkommen aus Renten wird in der Regel über die sozialen Familiensysteme oder über die Sozialhilfe aufgefangen. 

 

Die Probleme sind sowohl den Fachpersonen als auch der Politik bekannt. Eine Reform der Bemessungsgrundlagen, damit das System fairer ausgestaltet werden kann, würde aber zu deutlich höheren Kosten in der Invalidenversicherung führen. Dies ist politisch kaum mehrheitsfähig. Aktuell werden politische Vorstösse im Parlament diskutiert, doch die Umsetzung bleibt schwierig. Der Druck dürfte zunehmen, da insbesondere psychische Erkrankungen weiterhin deutlich zunehmen.

Hannes Blatter und Mirjam Breu diskutieren, ordnen ein und klären Details mit dem Experten Prof. Dr. Thomas Gächter.

 

Aufgezeichnet am 26. Juni 2025
Veröffentlicht am 26. August 2025


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