26. Juni 2023 Netzwerk-Apéro: Nutzenorientiertes Gesundheitswesen

VBHC - Wenn die Patient*innen im Zentrum stehen

26. Juni 2023 Netzwerk-Apéro: Nutzenorientiertes Gesundheitswesen

Hannes Blatter, Geschäftsführer des Luzerner Forums begrüsst die Anwesenden, die sich des klimatisierten Raumes und eines baldigen Wissenszuwachses erfreuen. Alle sind mit Namensschildern ausgestattet, sodass dem anschliessenden Netzwerken nichts im Wege steht.

Einführung

Das Referat, los geht’s, zwanzig Minuten. Paul Sailer, Director, Beratung Gesundheitswesen, PWC, führt ein in das nutzenorientierte Gesundheitswesen, die Value Based Healthcare (VBHC): «Gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, was die relevanten Zielgrössen sind, das ist VBHC.» Nutzenorientierung heisst, es geht weg vom arztzentrierten hin zu einem patientenzentrierten Gesundheitssystem. Das umfasst mindestens folgende Punkte: Nutzenorientierung, Patientenzentrierung, die Messung der Ergebnisqualität sowohl klinisch und «patient-reported» sowie die Integration der Versorgung. Das führt weg vom Kosten-Denken. Statt «Wie können Kosten im System gespart werden?» lautet die Frage neu: «Wie kann bei gleichbleibenden Kosten der Output verbessert werden?» Besonders wichtig: Es gehört dazu, gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, was die relevanten Zielgrössen der Behandlung sind.

Sechs Hebel

  • Aufbau integrierter und interdisziplinärer Einheiten
  • Messung von Kosten – und Ergebnissen
  • Ergebnisorientierte Pauschalen für Behandlungszyklen
  • Aufbau integrierter Versorgungssysteme
  • Flächendeckende exzellente Gesundheitsversorgung
  • Aufbau integrierter ICT-Plattform

Paul Sailer betont das Messen, das Competing, der Wettbewerb: «Competing ist hier noch negativ, in den USA nicht. Doch genau aus Competing lernt man.» Es bietet die besten Möglichkeiten zu lernen. Die Berechnung läuft so, das ist die Porter-Gleichung: Patientenergebnisse durch die Gesamtkosten, das ist der Mehrwert.

Die Handlungsempfehlungen

  • Qualitätswettbewerb
  • Qualitätsanreize
  • Vernetzte Akteure
  • Qualität- und Kostenbewusstsein

Auch PatientInnen, «das ist eine Gruppe, die man oft vergisst», tragen etwas bei, indem sie

  • relevante Informationen und Strukturen bewusst nutzen,
  • Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung stärken,
  • einen informierten Umgang mit ihren Personal- und Gesundheitsdaten finden und
  • diese Daten aktiv nutzen.

Paul Sailer, der ans Rednerpult gehumpelt war, findet mit seinem gebrochenen Fuss: Sein Patientennutzen als Sportler wäre es, so schnell wie möglich wieder ins Training zu kommen. Andere, vielleicht, die nicht Sportler wären, sähen ihren Nutzen darin, so schnell wie möglich wieder ins Büro zu kommen.

Die PWC-Studie zur Frage, wie sich VBHC in der Schweiz umsetzen lässt, umfasst ein Zielbild für ein nutzenorientiertes Gesundheitswesen in der Schweiz und Antworten auf die Frage, weshalb sich die Schweiz damit so schwertut. Die Studie lässt sich hier herunterladen.

Paul Sailer nimmt auch Bezug auf Elizabeth Teisberg, 2008: Nutzenorientierter Wettbewerb im schweizerischen Gesundheitswesen: Möglichkeiten und Chancen (pdf).

Sieben Minuten — Pilotprojekt Spitalzentrum Biel

Kristian Schneider, Spitaldirektor/ CEO, Spitalzentrum Biel, sieht VBHC als Organisationshilfe. «VBHC hilft uns zu hinterfragen, wie wir uns organisieren.» Zum Beispiel jetzt beim Projekt, die Behandlungsprozesse gezielt stationär und ambulant zu trennen, aus geografischen Gründen. Das Ambulatorium kommt an den Bahnhof. Dabei hält Kristian Schneider den Umstand hoch, dass die Schweiz ein sehr gutes Gesundheitssystem hat. Man brauche Kapazitäts- und Qualitätssteigerung bei gleichbleibenden Kosten. So ist die intraoperative Qualitätssicherung mittlerweile voll durchstandardisiert. Alle wissen bei einer Operation, was als nächstes passiert.

Eine Operation, zum Beispiel für eine Hüft-Prothese, wird unterteilt in Vorbereitung, Behandlung und Mobilisation/ Reha. Der Added Value kommt über die Einführung von VBHC. Patient*innen werden informiert über die App Care4today®, sie erhalten eine persönliche Wegbegleiter*in und Informationen zum Krankheitsbild und über das Krankenhaus sowie Artikel, Übungen. So lernen Patient*innen schon vor der OP, mit Krücken zu laufen. Kristian Schneider sieht VBHC als den Ansatz, der gebraucht wird, um die Entwicklung zu leiten.

Sieben Minuten — Produkte und auch Prozesse

Sarah Mueller, Managing Director MedTech Johnson&Johnson, Schweiz, zeigt auf, wie sich MedTech nicht nur mit Produkten für die Chirurgie befasst, sondern auch mit Prozessen der Chirurgie. Denn die Medtech-Teams gehen von Spital zu Spital, haben dadurch ein breites Fach- und Prozesswissen über die unterschiedlichen Prozesse, die sie dabei kennenlernen. Und so sind sie in der Lage, je eine Best Practice aufzuzeigen.

«Wir erarbeiten auch Prozesse, stellen so sicher, dass PatientInnen die beste Versorgung erhalten.» Es gilt, dies individuell anzugehen und sich an die Gegebenheiten der Leistungserbringer anzupassen. Was ist die jeweilige Ausgangslage, was die Zielgrösse der Prozessänderung? «Das ist auch Change-Management, da ist es wichtig, alle von Anfang an zu involvieren.» Die Zusammenarbeit ist outcome-basiert, es helfen digitale Tools, die Medtech standardisiert in die Spitäler bringt.

Die Resultate sind beeindruckend: Zum Beispiel sind die Anzahl Wundinfektionen verringert, auch Narkosezeiten, das verbessert das Outcome. Auch führen zum Beispiel weniger Anastomose-Insuffizienzen zu weniger Reoperationen und kürzeren Aufenthaltszeiten. Das ist klinisch und ökonomisch von Bedeutung. Johnson&Johnson übernimmt denn auch Garantien für Kosteneinsparungen. Werden diese nicht erreicht, erstattet Johnson&Johnson Geld zurück.

Sieben Minuten — Kompletter Cycle of Care

Sanjay Singh, Head of Benefits, Products and Health Services, CSS, betrachtet VBHC aus Sicht der Krankenversicherer. Was erhalten die 1.7 Millionen CSS-Kundinnen für die 6.7 Milliarden Prämien? In Zukunft geht es darum:

  1. den kompletten Cycle of Care, also auch Vor- und Nachsorge
  2. das sind nicht nur Versicherungsleistungen, sondern auch Beratungen, Begleitungen und Onlineprogramme
  3. in die Verträge und Preise müssen auch Qualitätsdaten einfliessen, auch zu Managed Care

«Es geht um den ganzen Cycle of Care, also auch um Vor- und Nachsorge.» Wichtig dabei ist es, den KundInnen zu helfen, den bestmöglichen Patientenpfad zu finden. In der Patient-Empowerment-Initiative sieht Sanjay Singh einen innovativen Ansatz, um eine neue Vergütungsmöglichkeit zu finden und eine Unter-, Fehl- und Überversorgung zu vermeiden. Gemäss Leistungserbringer habe man heute schon eine Überqualität. «Messen. Wir müssen messen, wenn möglich langfristig, und Qualität muss für den Kunden verständlich werden.» Dies vor dem Hintergrund, dass Kund*innen Qualität noch hauptsächlich als Nähe und Verfügbarkeit verstehen.

Fragen aus dem Publikum und Podiumsdiskussion

Qualität bedingt Menschen, die sie erbringen können. Doch wie geht das bei Fachkräftemangel, wie löst man das? Es fehlen 30'000 Fachkräfte. Kristian Schneider sieht einen Teil der Lösung in der Ambulantisierung. Sarah Mueller verweist auf den Patientenpfad in der Orthopädie, der gezeigt habe: Wenn man etwas gemeinsam verbessert, steigt die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen. Paul Sailer denkt an integrierte Versorgungssysteme – sodass Personal nicht verzettelt eingesetzt wird, sondern optimiert. Das kann zu Standort-Änderungen führen.

Netzwerken

Anschliessend geht es an den Apéro – und ans Netzwerken. Dank der Referate ist Value Based Healthcare, VBHC, nutzenorientiertes Gesundheitswesen – die konsequente Ausrichtung am Nutzen für die Patient*innen – nach 2006, dem Jahr, in dem Porter und Teisberg das VBHC-Standardwerk publizierten, zurück im Zentrum der Diskussion. Und so kommen – vielleicht bald – auch die Patient*innen ins Zentrum des Gesundheitswesens zu stehen.

Dieser Netzwerk-Apéro war eine exklusive Veranstaltung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Träger- und Partnerorganisationen des Luzerner Forums für Sozialversicherungen und Soziale Sicherheit. 

Photos der Veranstaltung

Hier finden Sie Eindrücke dieser Veranstaltung.

Video der Veranstaltung

Hier finden Sie das Video der Veranstaltung.

Programm

Datum und Zeit

Montag, 26. Juni 2023
17.30 bis 18.45 Uhr mit anschliessendem Apéro riche

Ablauf

17:30 Begrüssung
Hannes Blatter, Geschäftsführer des Luzerner Forums

17:35 Referat
Zielbild für ein nutzenorientiertes Gesundheitswesen in der
Schweiz und weshalb sich die Schweiz damit so schwer tut?
Paul Sailer, Director, Beratung Gesundheitswesen, PWC

17:50 Umsetzung in der Praxis:
- Pilotprojekt Spitalzentrum Biel
Kristian Schneider, Spitaldirektor/ CEO, Spitalzentrum Biel

- Pilotprojekte der Industrie
Sarah Mueller, Managing Director MedTech Johnson&Johnson, Schweiz

- Pilotprojekte der CSS Versicherung
Sanjay Singh, Head of Benefits, Products and Health Services, CSS

18:15 Fragen aus dem Publikum und Podiumsdiskussion

18:40 Abschluss

18:45 Ende der Veranstaltung
mit anschliessendem Apéro riche


Veranstaltungsort

Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Inseliquai 12b
6002 Luzern

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Moderation

 

Veranstaltungspartner